"Lizenz zum Töten"

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MFauli
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"Lizenz zum Töten"

Beitrag von MFauli »

Lizenz zum Töten?

Der Kongress von Florida hat ein Gesetz beschlossen, das das Recht auf Anwendung tödlicher Gewalt zur Abwehr einer Bedrohung beinhaltet - Kritiker befürchten Wild-West-Zustände
Möglicherweise wird es in Florida bald ein wenig ungemütlicher werden. Sowohl das Repräsentantenhaus als auch der Senat haben ein Gesetz gebilligt, das zum Schutz von Personen und Eigentum den Gebrauch von Gewalt, explizit auch von tödlicher Gewalt, billigt - und zwar überall dort, wo sich jemand bedroht fühlt und einen "vernünftigen Grund" dafür hat, dass für ihn oder eine andere Person die Gefahr des Todes oder schwerer körperlicher Verletzung droht. Um in Kraft zu treten, muss das Gesetz noch von Gouverneur Jeb Bush unterzeichnet werden.

Das Gesetz erweitert das Recht auf Selbstverteidigung, das Bürger Floridas bereits haben, wenn sie auf ihrem Grundstück, in ihrer Wohnung oder in ihrem Wagen angegriffen werden (castle doctrine). Bislang aber hätten sie, wenn sie in der Öffentlichkeit bedroht wurden, zunächst versuchen müssen, der Gefahr zu entgehen, also zu fliehen, bevor sie auf einen Angreifer schießen durften. Jetzt dürfen sie straffrei, "Gewalt mit Gewalt beantworten", wo immer sie sich aufhalten, wenn sie einer rechtmäßigen Tätigkeit nachgehen und sich dort zu Recht aufhalten. Im Senat wurde das Gesetz einstimmig angenommen, im Repräsentantenhaus stimmten 94 Abgeordnete dafür und 20 dagegen.

Der Angegriffene oder auch derjenige, der nur Grund hat, davon auszugehen, dass er oder ein Anderer angegriffen werden könnte oder dass damit die Begehung einer Straftat verhindert wird, darf sich verteidigen und dabei auch straflos den Angreifer töten. Die Polizei darf den Vorfall zwar untersuchen, aber den Täter nur dann festnehmen, wenn es wahrscheinlich ist, dass die Anwendung von Gewalt illegal war. Zudem muss dann die Polizei alle Kosten wie die der Verteidigung oder des Verdienstausfalls übernehmen, wenn der Beschuldigte sich als unschuldig im Sinne des Gesetzes erweisen sollte. Einen Schuldnachweis zu führen, dürfte bei der Formulierung des Gesetzes nicht ganz einfach sein.

Es könnte also durchaus gut sein, sich in Zukunft zur Selbstverteidigung gegen Selbstverteidiger oder diejenigen aufzurüsten, die sich als solche ausgeben, um nicht überraschend und wehrlos zusammen geschossen zu werden. Kritiker fürchten, dass damit eine "Lizenz zum Töten" ausgestellt werde und wieder Zustände wie im Wilden Westen einkehren könnten, weil die Schwelle er Gewaltanwendung sinkt.

Natürlich versichert der Abgeordnete Dennis Baxley, der das Gesetz im Repräsentantenhaus eingebracht hat, dass dies nur der Sicherheit dient. "Leute, es tut mir Leid", sagte er, "aber wenn ich angegriffen werde, sollte ich dazu verpflichtet sein, mich zurückzuziehen. Das aber ist der beste Möglichkeit, einen Schuss in den Rücken zu erhalten." Kriminelle würden es sich hingegen zweimal überlegen, jemanden anzugreifen, wenn die Menschen das eindeutige Recht auf Selbstverteidigung haben. Im Übrigen unterscheide sich das Gesetz nicht wesentlich von den Rechten, die die Bürger in vielen anderen Bundesstaaten haben.

Baxley ist Republikaner und Baptist, er ist zudem ausgerechnet auch noch Besitzer einer Bestattungsfirma. Man muss sich natürlich nicht wundern, dass das Gesetz auch ein Lieblingsprojekt der National Rifle Association in Florida war. So ruft die Waffenlobby denn auch ihre Mitglieder dazu auf, den Gouverneur unter Druck zu setzen, das Gesetz zu unterzeichnen. Für den demokratischen Abgeordneten Irv Slosberg passt das zusammen: "Das Gesetz zielt nur darauf, mehr Gewehre zu verkaufen und möglicherweise Florida in das OK Corral zu verwandeln."

Zumindest erhält man den Eindruck, dass dieses Gesetz nicht nur das Recht auf Notwehr eindeutig regeln will, gegen das niemand sein kann, sondern überdies dem Geist der Vorwärtsverteidigung gehorcht, auf dem auch die Sicherheitsstrategie der Bush-Regierung basiert. Lieber "präemptiv" aus "vernünftigen" Gründen zur Tat schreiten und einen möglichen Angriff abwehren, als erst dann zu handeln, wenn man schon angegriffen wurde. Aber eine solche Einstellung ist nicht nur weltpolitisch, sondern auch zwischenmenschlich höchst riskant - zumal für das Opfer, das sicherheitshalber dran glauben muss. Ein bisschen makaber ist das zudem, nachdem in Florida gerade im Fall von Terri Schiavo ausgerechnet für das unbedingte Recht auf Leben gekämpft wurde.


Quelle: Heise.de

Wunderbar.
Vielleicht versammeln sich dann jetzt bald alle Perversen dieser Welt in Florida und rotten sich gegenseitig aus. :roll:
Amerika halt...
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Sandor
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Beitrag von Sandor »

Sechster Abschnitt BGB, §§ 226,231 BGB / Auszug:

§ 227 Notwehr

Abs.1: Eine durch Notwehr gebotene Handlung ist nicht widerrechtlich.
Abs.2: Notweehr ist diejenige Verteidigung welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Damit gleicht sich die USA in ihrer Rechtslegung außerhalb des Privatbesitzes der deutschen Gesetzgebung an. Von einer licence to kill kann gar keine Rede sein.

Selbst in Florida dürfte ich dich nicht umbringen für Streitereien hier im Forum. Desweiteren sei mal klar gesagt, dass die US-Rechtsprechung in vielen Bereichen völlig anders aufgebaut ist als unsere. Während wir hier alles mit Paragraphen, Erlassen, Richtlinien, Anweisungen, Rechtsprechung, EUGH etc. unterlegen und die Einzelfälle konkretisieren, so ist in den USA dies nahezu ausschließlich auf Gerichtsverhandlungen begründet.

Es zeugt schon von bodenloser Unwissenheit, ein paar Zeilen zu zitieren und dann sich ein Urteil über eines der mit am stärksten gepflegten Rechtssysteme zu machen. Im Bezug auf Schmerzensgeld, Schadensersatz etc. könnte sich Deutschland ne Scheibe abschneiden. Natürlich ist kein System fehlerlos und Gerechtigkeit ist nicht immer "Recht bekommen". Aus diesem Text ist auch nicht zu entnehmen, ob nun das Waffenrecht diesbezüglich auch erweitert wurde. Falls nicht, heißt das einfach nur: greift mich einer auf der Straße an und töte ich ihn dabei, werde ich nicht bestraft.
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Beitrag von Spike »

Vollständiger Artikel:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19831/1.html

Übrigens, in Deutschland hat nicht jeder das Recht, eine Waffe zur Selbstverteidigung zu tragen, und das Recht auf Notwehr schliesst nicht unbedingt ein, jemanden zu töten.

Wenn dich in Deutschland jemand mit dem Messer bedroht, darfst du nicht einfach deine Pumpgun ziehen und dem "die Rübe wegschiessen". Es geht eher darum, das dieses neue Gesetz zu schwammig formuliert ist.
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Beitrag von Mr. Wood »

Sandor hat geschrieben: Falls nicht, heißt das einfach nur: greift mich einer auf der Straße an und töte ich ihn dabei, werde ich nicht bestraft.
Nach dieser Gesetzesänderung muss der Satz heißen: fühle ich mich von jemandem auf der Straße bedroht und töte ich ihn dann präventiv, werde ich nicht bestraft.
Wenn das nicht als "Lizenz zum Töten" bezeichnet werden kann... was dann ?

Ansonsten würde ich beim amerikanischen Rechtssystem nicht von einem der "am stärksten gepflegten", sondern von einem der am stärksten entarteten Rechtssysteme sprechen wollen. Wo sonst gibt es Schmerzensgeld in aberwiitziger Höhe für Leute, die sich mit heißem Kaffee bekleckern ?
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Sandor
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Beitrag von Sandor »

Dieses Gesetz ist deswegen "schwammig" formuliert, weil die Rechtsprechung der USA gleichzeitig quasi die Auslegung dieser "schwammigen" Gesetze darstellt - das war schon immer so, von der bill of rights bis zu diesem Gesetz.

Natürlich darf ich in Deutschland nicht ne pump gun ziehen, wenn einer ein Messe hat und präventiv ihn erschießen - ABER ich darf sie benutzen, wenn Leib und Leben in Gefahr ist. Btw. ist das deutsche Waffenrecht sehr streng. Und dieses US Gesetz mag die Waffenverkäufe beeinflussen, zielt aber gerade nicht darauf ab, dass jeder nun nen peacemaker mit sich führt.

Wie das Gesetz ja formuliert, werden unverhältnismäßige Anwendungen weiterhin bestraft.

Ansonsten soll man halt glauben, dass das abartig ist etc. - jeder hat da seine Meinung. Während in Deutschland es für einen Toten (siehe Eschede etc.) kaum Entschädigung gibt, abgetrennte Glieder fast nur wenige hundert Euro "kosten", wäre eine Angleichung durchaus wünschenswert - wobei diese "heißer Kaffee" Dinge natürlich außen vor gelassen werden sollten.

Ansonsten gebe ich zu bedenken, dass US Gerichte den Zugang für Schwarze in damals sog. "weiße" Unis ermöglichten zu einer Zeit, in der bei uns eine unverheiratete Frau noch nicht einmal mit einem Mann zusammen übernachten durfte.
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