Hab das Spiel seit Samstag und bin bisher noch etwas geteilter Meinung, allerdings stehen auch erst ca. sechs Stunden auf meinem Konto.
Generell hat das Spiel für mich zwei Probleme. Man vergleicht es automatisch mit dem Vorgänger, den ich persönlich über alles geliebt habe, obwohl es ein völlig eigenständiges Spiel ist, und man wird von Möglichkeiten und Interfaceangaben erschlagen, ohne zu diesen ausreichende Erklärungen oder Tutorials zu bekommen. Ich teile den Beitrag in verschiedene Abschnitte auf, da das Spiel so unheimlich umfangreich ist.
Erst einmal zum Kampfsystem, das deutlich komplizierter ist als in Xenoblade Chronicles:
KAMPFSYSTEM
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Das Grundprinzip ist erst einmal recht ähnlich. Bei Kampfbeginn greifen alle Charaktere automatisch an. Dabei kann man zwischen einer Nah- und Fernkampfwaffe jederzeit per Knopfdruck wechseln und dementsprechend von weitem auf den Gegner schießen oder aus der Nähe z.B. mit einem Messer attackieren. Am unteren Bildschirmrand gibt es eine Leiste mit verschiedenen Techniken, die sich alle über einen gewissen Zeitraum erst aufladen müssen. Alle Techniken können sowohl mit der Nah- als auch mit der Fernkampfwaffe ausgeführt werden, wobei ich vermute, dass bestimmte Techniken mit einer bestimmten Waffenart aber effektiver sein dürften.
Die Techniken haben die aus Xenoblade bekannten Effekte wie zusätzlichen Schaden bei Angriffen von der Seite oder von hinten, die Option, Gegner ins Schwanken zu bringen und umzuwerfen etc. Alle diese Techniken können wie in Xenoblade mit Technikpunkten aufgelevelt werden, damit sie mehr Schaden verursachen und sich schneller aufladen. Außerdem hat man nur eine begrenzte Platzanzahl für Techniken im Kampf (8 Slots, glaube ich), d.h. je mehr Techniken man durch Levelaufstieg lernt, desto mehr muss man im Vorfeld im Konfigurationsmenü überlegen, welche man tatsächlich einsetzen möchte. Auf Dauer hilft wahrscheinlich Experimentieren und regelmäßiges Austauschen, um die optimale Kombination zu finden.
Man kann verschiedene Klassen wählen (z.B. eher ein offensiver oder defensiver Typ), die jeweils mit ihren eigenen Techniken ausgestattet sind, die wieder bei Level 1 starten und so wieder aufgelevelt werden müssen. Anscheinend kann man später, wenn man den höchsten Rang in allen Klassen erreicht hat, alle Techniken aller Klassen untereinander mischen und sich seine individuellen Angriffe zusammenstellen.
Hier enden aber auch schon die Gemeinsamkeiten mit dem Vorgänger. In X kann man eine Attacke entweder sofort einsetzen, wenn sie aufgeladen ist, oder man wartet länger und lässt sie noch auf Stufe zwei (grüner Ring um das Symbol) oder gar Stufe drei (blauer Ring) aufladen, sodass die Techniken 200% bzw. 300% an Basisschaden verursachen. Mit dem rechten Stick kann man verschiedene Körperteile eines Gegners anvisieren und gezielt attackieren (Körperteile gelten dann auch als Schwachpunkte). Dabei wird angezeigt, wie viel Energie der Teil noch hat und welche Attacke der Gegner damit ausführt. Ist der Schwachpunkt zerstört, kann er auch die entsprechende Attacke aus seinem Repertoire nicht mehr ausführen.
Ab und zu erscheint der B-Button wie in Xenoblade, den man im richtigen Augenblick drücken sollte - nur so kann man sich zu Beginn heilen lassen (!!), außerdem wird die Moral der Charaktere gestärkt etc. . Im Gegensatz zu Xenoblade ist das Timing dazu wesentlich schwieriger (und man hat auch grundsätzlich viel weniger Zeit), weil man den Daumen runter vom A-Knopf nehmen muss, um B zu erwischen. Beim Vorgänger ging das ja bequem über den Trigger an der Rückseite der Wiimote. Auch ansonsten ist die Steuerung im Kampf suboptimal. Die Attackenauswahl erfolgt mit dem Steuerkreuz, das sich aber genau unter dem Stick auf dem Gamepad befindet. Bei Xenoblade konnte ich mich mit dem Nunchuck in der linken Hand um den Gegner in die richtige Position bewegen und mit dem Steuerkreuz auf der Wiimote in der rechten Hand die Attacken auswählen. Hier geht das nicht gleichzeitig, das finde ich schlecht gelöst. Man gewöhnt sich bestimmt im Laufe der Zeit daran, aber im Moment stört es mich noch.
Zwei Mechaniken, die ich noch nicht verstanden habe, sind Kampfrufe und SP-Punkte. Bestimmte Attacken, z.B. solche zum Heilen nach einigen Levels, laden sich nur durch das Sammeln von SP auf. Wie man die im Kampf sammelt, ist mir noch nicht ganz klar. Außerdem kann man gefallene Partymitglieder nur mit ausreichender SP-Zahl wiederbeleben. Man muss also abwägen, wofür man die Punkte einsetzt.
Das zweite Fragezeichen sind die Kampfrufe. Mit dem + - Button lässt sich ein Kampfmenü öffnen (das Spiel läuft dabei weiter), durch das man wieder mit dem Steuerkreuz durchscrollen muss (d.h. man kann währenddessen keine Attacken auswählen!). Die Kampfrufe geben allen Mitstreitern entsprechende Anweisungen, z.B. "Nur Fernangriffe" o.Ä. Bisher hab ich das noch nicht ausprobiert, weil das zu viel Multitasking im Schlachtgetümmel für mich ist.
Als letzte Mechanik kann man durch "Überladen" (auch hier hab ich noch keine Ahnung, wie man die dafür benötigte "Spannung" sammelt) einen Komboangriff ähnlich wie im Vorgänger aktivieren. Ich hoffe, ich steige bald dahinter, wie das funktioniert.
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STORY UND WELTDESIGN
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Das Beste gleich vorweg - das Weltdesign und der Umfang sind ganz große Klasse. Da gibt es absolut nichts zu meckern. Die Behauptung, dass das Spiel viermal so groß wie Xenoblade Chronicles sei, kann ich voll und ganz unterschreiben. Ich kann es kaum erwarten, bis ich im Laufe der Story einen Skell bekomme und die Umgebung dann auch fliegend erkunden kann
Leider fesseln mich die Welten aber nicht so sehr wie beim Vorgänger. Die Umgebungen bei Xenoblade fand ich insgesamt abwechslungsreicher, schöner designt und farbenfroher. Hier spielt man auf fünf Kontinenten, von denen von Anfang an alle sehr viel offen steht. Bei Xenoblade bekam man den Zugang erst nach und nach im Verlauf der Story, sodass man immer nur mit kleinen Häppchen verwöhnt und neue Umgebungen mehr zu schätzen wusste. Auch fühlte sich die ganze Welt auf Bionis irgendwie organischer an (von Kopf bis Fuß auf- und abzusteigen) als auf fünf "flachen" Erdplatten unterwegs zu sein.
Die Story kommt nur sehr langsam ins Rollen und ist eher im SciFi-Bereich angesiedelt. Die magisch-verträumte Komponente rund um das Monado und die zwei Giganten geht mir bisher ab. Im Grunde handelt es sich deutlich stärker um eine klassiche Survival-Story. Natürlich gehe ich davon aus, dass da noch viel mehr kommen wird und die Prämisse an sich (die Menschheit baut sich ein neues Zuhause auf einem fremden Planeten auf) ist auch extrem spannend
Aber der Fokus liegt eindeutig nicht so sehr auf dem Fantasysetting, sondern wirkt etwas ernsthafter und dadurch auf mich weniger magisch.
Ein starker Kritikpunkt ist der eigene Hauptcharakter. Dieser spricht nicht und bleibt wohl auch bis Ende des Spiels stumm. Da alle anderen Charaktere sprechen, wirkt das etwas befremdlich. Er hat außerdem keinen richtigen Namen und leidet unter Gedächtnisverlust. Dementsprechend gibt es auch keinerlei Hintergrundgeschichte oder Charakterentwicklung. Nach Shulk ein klarer Rückschritt
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INTERFACE UND ZUGÄNGLICHKEIT
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X ist nicht einsteigerfreundlich. Das muss an dieser Stelle ganz klar gesagt werden. Das Spiel bietet unheimlich viel Tiefe und enormen Freiraum, aber nur, wenn man sich reinfuchst und sich ggf. im 160-Seitenhandbuch von Nintendo sowie im Internet erst einmal ausführliche Anleitungen zusammensucht. Das Spiel selbst bietet entweder nur rudimentäre Erklärungen oder überhaupt keine. Dabei fungieren die ersten drei Kapitel ironischer Weise als durchgehendes und teils etwas zähes Tutorial, das dennoch nur an der absoluten Oberfläche kratzt. Klingt kurios, ist aber so.
Viele Menüs sind einzeln aufgeteilt, d.h. man kann z.B. nicht mit den Schultertasten vom Technikmenü ins Ausrüstungsmenü schalten. Man muss stattdessen zurück ins Hauptmenü und dort den entsprechenden Punkt auswählen. Schade, das war im Vorgänger zumindest teilweise besser gelöst und kann auf Dauer etwas umständlich werden. Tag- und Nacht kann nur an bestimmten Terminals umgestellt werden, die in der Welt verteilt sind - und nicht mehr im Menü zu jeder Zeit.
Sidequests sind in New LA wie in jedem anderen JRPG auch auf NPCs verteilt, gleichzeitig sind Sammel- und Jagdquests an einem Terminal abrufbar. Das finde ich etwas uneinheitlich gelöst, weil man ursprünglich durch das Terminal eigentlich nicht mehr durch die Gegend laufen sollte, es aber nun doch tun muss. Man kann darüber hinaus auch bestimmten Abteilungen in der Stadt beitreten, die alle einen anderen Schwerpunkt haben, um beim Wiederaufbau der Welt zu helfen. Wann und wo man diese Sidequests annimmt, hab ich noch nicht rausgefunden
Dann gibt es auch noch Onlineaufträge, die wieder an einem anderen Terminal angenommen werden.
Hauptmissionen werden im Kontrollraum akzeptiert, allerdings muss man meist bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um mit der Hauptstory weitermachen zu können (z.B. einen gewissen Prozentsatz der Karte erkundet haben, ein gewisses Level erreicht haben, die Harmonie zwischen zwei Gruppenmitgliedern gestärkt haben etc.). Der Vorgänger hatte für mich noch eher eine Art Action Adventure-Gefühl, da die Hauptstory nicht in eine Kapitel- oder Missionsstruktur aufgeteilt war und man während des laufenden Haupthandlungsstrangs auch jederzeit Sidequests annehmen konnte. In X können bestimmte Sidequests während einer Storymission nicht angenommen werden - dadurch und durch die Kapitelstruktur fühlt sich das Spiel "anders" bzw. etwas zerstückelter an als der Vorgänger. Das Gleichgewicht schlägt eher zu Gunsten der Sidequests aus.
Apropos Gleichgewicht - mir fehlt insgesamt beim Kampfsystem bisher die Balance, die der Vorgänger gut getroffen hatte - man muss so viele Sachen gleichzeitg ausführen, was aufgrund der Elementanordnung auf dem Gamepad nicht so einfach ist. Durch die Vielzahl an Menüs und HUD-Elementen während des Kampfes verliert man schnell den Überblick über das Geschehen und sieht seinen eigenen Charakter eventuell gar nicht mehr richtig. Dazu gesellt sich für die Attackenbeschreibungen eine winzig kleine Schrift, sodass man in der Hektik viel zu lange braucht, um die Beschreibung einer Attacke entziffern zu können. Die Schriftgröße ist grundsätzlich ein Problem, das sich durch sämtliche Menüs und Interface Elemente zieht. Das ist besonders ärgerlich, weil mehr als genug Platz für eine größere Typo wäre - so vollgepackt ist der Bildschirm meist nicht. Ich hoffe auf einen Patch, der das behebt.
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FAZIT MEINES ERSTEINDRUCKS
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Mein Beitrag klingt wahrscheinlich überwiegend negativ, aber so ist er nicht gemeint. Viele meiner Kritikpunkte sind subjektiver Natur, z.B. dass mir das Setting und die Spielstruktur im Vorgänger einfach besser gefallen haben. Das ist reine Geschmackssache, wie auch sicherlich die Musik, die bereits jetzt die Spieler spaltet. Ich finde sie bisher ganz ok, weder gut noch schlecht. Xenoblade hat einfach meinen Geschmack voll getroffen, X geht mit seinem anderen Stil und Fokus in eine Richtung, mit der ich bisher noch nicht komplett warm geworden bin.
Ärgerlicher sind da schon einige Rückschritte in der Menüführung und der Benutzerfreundlichkeit (winzige Schrift!!! wenig Erklärung, kein Menüdurchschalten möglich, kein Tag- und Nachtwechsel außer an vorgegebenen Stellen). Das sind definitiv Probleme, die der Vorgänger nicht hatte.
Das Spiel ist unheimlich hübsch (das Flimmern stört mich kaum), auch wenn die Figuren wie immer bei Monolith abfallen. Die Sprachausgabe ist etwa wie beim Vorgänger, mir gefällt sie.
Ich bin jedenfalls sehr motiviert, mich weiter in das Spiel zu stürzen und alle Schichten nach und nach zu verstehen und zu beherrschen
Aber wer nicht die Zeit und Geduld zur Selbstrecherche aufbringt, für den ist X definitiv der falsche Titel.